Windhoek
Am 18. Januar sind Alida und ich doch nochmal nach Namibia gekommen. Geradeso habe ich 14 Tage Touristenvisum bekommen. Der Home Affairs Alptraum geht also in eine weitere Runde. Wieder müssen wir ein Visum beantragen, wieder hängen wir in Windhoek fest. Und Windhoek ist echt nicht gerade spannend, obwohl Hauptstadt. Wir kennen mittlerweile auch wirklich jede Sehenswürdigkeit und als uns mal wieder die Decke auf den Kopf zu fallen droht, erinnere ich mich daran, dass mein Nachbar mir vor Abreise von einem Hockeyclub hier erzählt hat. Das wäre doch was denke ich, mal wieder einen Schläger in der Hand halten. Gerade jetzt wo Alida und ich doch ein wenig in ein Heimweh Loch geraten sind. Es sah zu dem Zeitpunkt schon fast so aus, als müsse ich Namibia verlassen.
Jedenfalls google ich das mal und mein Handy spuckt einen Hockeyplatz am anderen Ende der Stadt aus. Schon am nächsten Nachmittag machen wir uns auf die 8km zu Fuß zu bewältigen.
Und manchmal scheint Mühe wirklich belohnt zu werden, der Platz ist zwar ein Reinfall, Naturrasen und außer einer Gymnastikgruppe leer, aber ich bekomme die Telefonnummer von Jerri einer leidenschaftlichen Hockeyspielerin. Ich rufe sie sofort an und erfahre, dass man in Namibia eigentlich nur Hallenhockey spielt und das sie gerade sogar am Trainieren ist. Schwups in ein Taxi gestiegen und schon stehe ich zwischen einer Horde Jungs mit Schläger in der Hand in einer Hockeyhalle!
Und nicht nur das ich im Folgenden an zwei Trainings teilnehmen kann, als Jerri von unserer Lage hört, ist sie ganz scharf darauf uns Windhoeks "Nachtleben " zu zeigen. Samstag Abend will sie uns für eine Nacht entführen!
Nachmittags treffen wir uns aber noch mit Freunden, die wir letztes mal in Windhoek kennen gelernt haben. Wie eigendlich immer treffen wir uns in Katutura, dem Armenviertel von Windhoek. Gegründet wurde dieses Viertel in Zeiten der Apartheid, als Wohnort der schwarzen Bevölkerung. Aber auch heutzutage leben hier ausschließlich Schwarze. Das ist leider auch der Grund, warum wir uns hier nicht so richtig trauen, alleine rumzustreifen. Nicht das es unbedingt zu gefährlich wäre, die meisten hier sind nette, anständige und extrem hilfsbereite Menschen, dennoch kann es hier für uns schnell sehr unangenehm werden. Das liegt einfach an dem Ruf den Weiße hier genießen. Viele Menschen hier denken: Weiß = Reich. Manchmal (gerade in ländlichen Regionen) geht es noch weiter zu: Weiß = Intelligent oder Weiß = Rein.
Spuren der Apartheid? Oder nur das Bild was Medien von den Industrieländern vermitteln? Ich persönlich glaube ja, dass das starke Wirtschafts- und Wohlstandsgefälle wie ein Schatten über den Menschen hier hängt. Die krasse Übermacht des Westens demotiviert, so unerreichbar und hart scheint eine Annäherung an unsere Standarts. Zu schwer lastet diese Ungerechtigkeit auf den Menschen hier und jeden Tag wieder wird sie ihnen vor Augen geführt. Jedes Mal, wenn sie fehrnsehen, ins Internet gehen oder einfach nur die Zeitung aufschlagen. In Windhoek reicht es ja schon aus, einfach durch die Innenstadt zu schlendern. Im Lehrerzimmer in Ondobe musste ich zum Beispiel vor wenigen Tagen ernsthaft die These: "Gott ist Weiß!", diskutieren.
Von anderen wieder hört man die wildesten Verschwörungstheorien über Naziorganisationen die Entwicklungsländer sabortieren (z.B. Ebola sei ein Anschlag dieser Organisation), um diese Ungerechtigkeit zu erklären.
Was auch immer der Grund für diesen "positiven" Rassismus ist, Fakt ist, man wird man angestarrt und andauernd angesprochen. Man wird im Vorbeigehen berührt und im widerlichsten Fall umarmt oder im Taxi übers Ohr gehauen und im schlimmsten Fall ausgeraubt.
Und all das, weil sie uns für die priviligierten Menschen halten.
Aber sind wir das nicht auch irgendwie?
Und kommt nicht jedes Privileg mit Verantwortung?
Solche schweren Gedanken treiben einen hier in Katutura oft herum. Trotzdem sind die Treffen hier immer echt entspannt. Wie jedesmal kaufen wir auch diesesmal am Straßenrand Kapana (gegrilltes Fleisch) und Fat Cakes (frittiertes süßliches Weißbrot) und setzen uns dann zum gemütlichen Essen, Bierchen trinken und Plaudern in eine Shebeen (Kneipe).
Am Abend holt Jerri uns ausgehfertig am Hostel ab und wir fahren in einen Biergarten. Ja einen Biergarten! Das Ding heißt sogar genau so: Biergarten.
Und plötzlich sind wir in einer ganz anderen Welt. Was für ein Gegensatz zu Katutura vor wenigen Stunden! Schon auf dem Hockeyplatz war mir aufgefallen, dass eigentlich nur Weiße hier unter Wegs sind, doch im Biergarten ist es einfach überwältigend. Ich weiß gar nicht ob ich lachen oder weinen soll. Im Prinzip könnte ich gerade auch im Altstadttreff in Braunschweig sitzen, da wären auch nicht weniger Schwarze unterwegs. Und der Biergarten ist ähnlich groß und brechend voll.Von überall hört man Deutsch (auch Englisch und Afrikaans) und die Wände sind tapeziert mit Postern und Stickern auf denen deutsche Binsenweißheiten stehen. Alida und ich sind sprachlos.
Am Tisch wird dann Pizza und Bier bestellt und über die Luxuswagen, Villas und Hubschrauber der Väter getratscht. In eine krasse Reichenschicht sind wir da geraten. Zwar ist nicht jeder Weiße hier super reich, aber recht wohlhabend sind alle, die wir hier treffen. Jetzt wissen wir also wie es um Namibias eigenständige Wirtschaft steht. Doch wer die Weißen hier gleich als Rassisten, Kolonialisten oder Appartheits Freunde abstempelt macht es sich etwas leicht. Den jeder einzelne ist gebürtiger vollblut Namibier und stolzer Namibier zu sein als so mancher Schwarzer. Und weil wir fair bleiben wollen: Wer von uns weiß denn noch so genau woher seine Vorfahren 4.-7. Generation stammten, bzw ist mit diesem Ort irgendwie verbunden? Trotzdem fühlt sich das alles hier nicht so richtig gut an.
Das Zweite was wirklich auffällt, ist wie klein Windhoek ist, bzw. wie klein es sich die Weißen hier machen! Denn eines steht fest, ob rassistisch motiviert oder nicht, die Kulturen mischen sich hier nicht. Die Weißen bleiben unter sich (Die Stämme der Schwarzen allerdings in der Regel auch).Das führt dazu, das jeder jeden kennt, jeder mit jedem schonmal was hatte und das jeder den ganzen Tag Klatsch und Tratsch über sämtliche weiße Einwohner Windhoeks erzählen kann. Windhoek ist ein richtiges Dorf, müssen Alida und ich feststellen.
Später gehen wir noch in einen Nachtclub der sich auch weder musikalisch noch von den Besuchern her gravierend von einem braunschweiger Club unterscheidet.
In den nächsten Tagen treffen wir uns noch öfter mit Leuten aus der "Hockyclique", denn man fühlt sich doch irgendwie am wohlsten im eigenden Kulturraum. Und ich bin fest davon überzeugt, dass die Hautfarbe hier keine Rolle spielt. Erziehung, Tradition und das Umfeld in dem man aufwächst allerdings sehr wohl. Das habe ich schließlich am eigenen Leib erlebt. So sehr ich meine namibische Gastfamilie auch mag, auf Dauer würde ich im Buschland, zwischen den Ovambos verrückt werden. Zu verschieden sind die Kulturen und eines habe ich hier gelernt: Ich bin deutsch und werde es immer bleiben. So richtig übelnehmen, kann ich es also keinem mehr, das er lieber etwas mit Menschen seiner Kultur, seines Stammes unternimmt als mit anderen.
Rassistische Züge gibt es dann aber leider doch. Gerade bei den Afrikaans sind Mischbeziehung quasi verboten, zu mindest aber macht man sich so zum Gespött der Leute.
Was für ein Tag! Ein Tag der mir wie kein anderer gezeigt hat, wie gespalten dieses Land ist. Um das ein wenig mit Fakten zu untermauern, hier noch eine kleine Übersicht des ethnologischen Hintergrunds Namibias. Wen das aber wirklich interessiert, hier ein Link zum nachlesen: http://www.afrikareisen.info/namibia/namibia-menschen.htm
Wie in vielen Fällen sind auch die Grenzen Namibias während der Kolonialisierung mit Lineal auf die Landkarte gezeichnet worden, ohne Rücksicht auf geographische Begebenheiten oder die Stammestheritorien. Das führte dazu, dass bis zum heutigen Tage Ovambos sich in erster Linie als Ovambos sehen und nicht als Namibier. Zum Beispiel die Okwanyama (Stamm meiner Gastfamilie) leben zu gut 50% auch im benachbarten Angola.
Seid der Unabhängigkeit von Südafrika 1990, ist Englisch die einzige Amtssprache, eine Sprache die für über 95% der Bevölkerung Fremdsprache ist und mühsam erlehrnt werden muss. Der vernünftige Versuch, ein so kulturell zersplittertes Land wenigstens in Sprache und somit der möglichen Verständigung untereinander zu vereinen. In den ländlichen Gegenden setzt sich Englisch allerdings erst allmählich durch, zu dominant sind die Stammessprachen. Und wie schon erwähnt mischen sich die Stämme kaum, es gibt relativ klar begrenzte Territorien, in jedem einzelnen findet man dann einen bestimmten Stamm.
Was auf den ersten Blick bedauernswert scheint, hat immerhin dazu geführt, das viele Stämme ihre Traditionen bis zum heutigen Tag bewahren konnten. Außerdem herrscht schon lange Frieden hier, nicht selbstverständlich und auch nicht immer so gewesen bei so vielen Völkern. Es scheint aber, als funktioniere die Taktik des sich aus dem Weg gehens. Genug Raum bietet Namibia jedenfalls.
Doch wie passen die Weißen da hinein? Eigentlich ist es ganz einleuchtend, sie bilden im Prinzip zwei weitere Stämme: Die Deutschen und die Afrikaner (Buren). Und sie sind nach wie vor sehr angesehen im Land, sie bezahlen ihre Arbeiter fair und zuverlässig und brachten/bringen Wissen und Technologie der Industrieländer. Natürlich haben sie teilweise grausame Verbrechen an der schwarzen Bevölkerung in der Kolonialzeit begangen, aber es muss auch festgehalten werden, das sie den Krieg nicht nach Namibia brachten. Schon vor ihnen gab es eigentlich dauernd Krieg zwischen den Stämmen. Interessant ist vielleicht auch, dass die ersten Einwanderer immerhin schon Ende des 17. Jahrhunderts kamen, ungefähr zeitgleich mit der Einwanderung der Bantusprachigen Stämme in den Norden Namibias.
Zu diesen zählen die Ovambos, mit ihren 12 Unterstämmen von denen 8 in Namibia leben. Sie sprechen alle Dialekte des Oschiwambos und machen zusammen mehr als 50% der Bevölkerung Namibias aus. Die Ovambo sind ursprünglichen Ackerbauern, halten sich mittlerweile aber auch viel Vieh.
Am Fluss Kavango, haben sich die Fischer und Maisbauern der Okavango niedergelassen, ein ebenfalls bantusprachiger Stamm.
Zwei weitere eng verwandte Bantustämme sind die Hereo und die Himba. In der bekanntesten und grausamsten Schlacht der Deutschen gegen die Herero am 11. August 1904 am Waterbergplateau wurden die Herero beinahe ausgelöscht, noch heute vordern sie dafür Reperationszahlungen von der deutschen Regierung! Ursprünglich waren auch die Herero Viehhalter.
Die Himba haben sich vor langer Zeit von den Herero abgespalten und im wesentlichen die Lebensweise der Steinzeit bewahrt. Es ist schon ein irrer Anblick, wenn eine Gruppe Himba (auch Frauen) quasi nackt nur mit Lendenschurz bekleidet und von oben bis unten mit rotem Lehm, den sie sich auch in die Haare reiben, beschmiert durch die Stadt laufen. Noch heute sind sie Nomaden, ziehen als Sammler und Jäger durch Teile Namibias.
Der erste Stamm auf namibianischem Boden waren jedoch die San, auch unter dem nicht unbedingt politisch korrektem Namen Buschmänner bekannt. Die San sind optisch wahrscheinlich am einfachsten auszumachen. Sie sind klein, selten größer als 1,60 m und deutlich heller, als die Bantustämme. Es wundert also kaum, dass sie asiatischer Abstammung sind. Beeindruckend ist auch die Sprache des schon vor 25000 Jahren eingewanderten Stammes, die zahlreiche komplizierte Klicklaute enthält. Auch nach endlosem Vorsagen wollte meine Zunge nicht ansatzweise das Begrüßungswort herausbringen.
Zwei Verwandte der San leben auch in Namibia, die Nama und Dahama. Beide zeichnen sich ebenfalls durch die Klicklaute in der Sprache aus. Die Nama sind neben den Herero Hauptlasttragende des Vernichtungskommandos der deutschen Truppen am Waterberg gewesen. Sie kamen vor ca. 2500 Jahren als nomadisches Hirtenvolk nach Namibia.
Über die Herkunft der Damara ist wenig bekannt, nur aufgrund der Sprache schließt man auch eine Verwandtschaft zu den San und Nama, denn ihre eigene Kultur ist in jahrelanger Versklavung verloren gegangen. Dabei handelte es sich allerdings hauptsächlich um eine Versklavung durch Herero und Owambo und garnicht unbedingt durch die Weißen.
Wer jetzt verwirrt von all diesen Stämmen, kann sich vielleicht ausmahlen, was für Schwierigkeiten sich innerpolitisch hier verbergen. Irgendjemand fühlt sich immer vernachlässigt und neben politischen Parteien gibt es ganz beiläufig auch noch Stämme die im Parlament schalten und walten. Nicht zufällig flossen die Fördergelder für ländliche Regionen in den letzten Jahren hauptsächlich ins Ovamboland.
Eine weitere Herausforderung bieten die Sprachen, nicht jeder kann Englisch und viele nur in Brocken, weswegen es gar nicht so einfach ist sicherzustellen, dass jeder wichtige Informationen erhält und versteht.
Umso bewundernswerter finde ich, dass Namibias Demokratie doch so stabil und funktionsfähig ist und dass schon so lange Frieden herrscht!
Am 18. Januar sind Alida und ich doch nochmal nach Namibia gekommen. Geradeso habe ich 14 Tage Touristenvisum bekommen. Der Home Affairs Alptraum geht also in eine weitere Runde. Wieder müssen wir ein Visum beantragen, wieder hängen wir in Windhoek fest. Und Windhoek ist echt nicht gerade spannend, obwohl Hauptstadt. Wir kennen mittlerweile auch wirklich jede Sehenswürdigkeit und als uns mal wieder die Decke auf den Kopf zu fallen droht, erinnere ich mich daran, dass mein Nachbar mir vor Abreise von einem Hockeyclub hier erzählt hat. Das wäre doch was denke ich, mal wieder einen Schläger in der Hand halten. Gerade jetzt wo Alida und ich doch ein wenig in ein Heimweh Loch geraten sind. Es sah zu dem Zeitpunkt schon fast so aus, als müsse ich Namibia verlassen.
Jedenfalls google ich das mal und mein Handy spuckt einen Hockeyplatz am anderen Ende der Stadt aus. Schon am nächsten Nachmittag machen wir uns auf die 8km zu Fuß zu bewältigen.
Und manchmal scheint Mühe wirklich belohnt zu werden, der Platz ist zwar ein Reinfall, Naturrasen und außer einer Gymnastikgruppe leer, aber ich bekomme die Telefonnummer von Jerri einer leidenschaftlichen Hockeyspielerin. Ich rufe sie sofort an und erfahre, dass man in Namibia eigentlich nur Hallenhockey spielt und das sie gerade sogar am Trainieren ist. Schwups in ein Taxi gestiegen und schon stehe ich zwischen einer Horde Jungs mit Schläger in der Hand in einer Hockeyhalle!
Und nicht nur das ich im Folgenden an zwei Trainings teilnehmen kann, als Jerri von unserer Lage hört, ist sie ganz scharf darauf uns Windhoeks "Nachtleben " zu zeigen. Samstag Abend will sie uns für eine Nacht entführen!
Nachmittags treffen wir uns aber noch mit Freunden, die wir letztes mal in Windhoek kennen gelernt haben. Wie eigendlich immer treffen wir uns in Katutura, dem Armenviertel von Windhoek. Gegründet wurde dieses Viertel in Zeiten der Apartheid, als Wohnort der schwarzen Bevölkerung. Aber auch heutzutage leben hier ausschließlich Schwarze. Das ist leider auch der Grund, warum wir uns hier nicht so richtig trauen, alleine rumzustreifen. Nicht das es unbedingt zu gefährlich wäre, die meisten hier sind nette, anständige und extrem hilfsbereite Menschen, dennoch kann es hier für uns schnell sehr unangenehm werden. Das liegt einfach an dem Ruf den Weiße hier genießen. Viele Menschen hier denken: Weiß = Reich. Manchmal (gerade in ländlichen Regionen) geht es noch weiter zu: Weiß = Intelligent oder Weiß = Rein.
Spuren der Apartheid? Oder nur das Bild was Medien von den Industrieländern vermitteln? Ich persönlich glaube ja, dass das starke Wirtschafts- und Wohlstandsgefälle wie ein Schatten über den Menschen hier hängt. Die krasse Übermacht des Westens demotiviert, so unerreichbar und hart scheint eine Annäherung an unsere Standarts. Zu schwer lastet diese Ungerechtigkeit auf den Menschen hier und jeden Tag wieder wird sie ihnen vor Augen geführt. Jedes Mal, wenn sie fehrnsehen, ins Internet gehen oder einfach nur die Zeitung aufschlagen. In Windhoek reicht es ja schon aus, einfach durch die Innenstadt zu schlendern. Im Lehrerzimmer in Ondobe musste ich zum Beispiel vor wenigen Tagen ernsthaft die These: "Gott ist Weiß!", diskutieren.
Von anderen wieder hört man die wildesten Verschwörungstheorien über Naziorganisationen die Entwicklungsländer sabortieren (z.B. Ebola sei ein Anschlag dieser Organisation), um diese Ungerechtigkeit zu erklären.
Was auch immer der Grund für diesen "positiven" Rassismus ist, Fakt ist, man wird man angestarrt und andauernd angesprochen. Man wird im Vorbeigehen berührt und im widerlichsten Fall umarmt oder im Taxi übers Ohr gehauen und im schlimmsten Fall ausgeraubt.
Und all das, weil sie uns für die priviligierten Menschen halten.
Aber sind wir das nicht auch irgendwie?
Und kommt nicht jedes Privileg mit Verantwortung?
Solche schweren Gedanken treiben einen hier in Katutura oft herum. Trotzdem sind die Treffen hier immer echt entspannt. Wie jedesmal kaufen wir auch diesesmal am Straßenrand Kapana (gegrilltes Fleisch) und Fat Cakes (frittiertes süßliches Weißbrot) und setzen uns dann zum gemütlichen Essen, Bierchen trinken und Plaudern in eine Shebeen (Kneipe).
Am Abend holt Jerri uns ausgehfertig am Hostel ab und wir fahren in einen Biergarten. Ja einen Biergarten! Das Ding heißt sogar genau so: Biergarten.
Und plötzlich sind wir in einer ganz anderen Welt. Was für ein Gegensatz zu Katutura vor wenigen Stunden! Schon auf dem Hockeyplatz war mir aufgefallen, dass eigentlich nur Weiße hier unter Wegs sind, doch im Biergarten ist es einfach überwältigend. Ich weiß gar nicht ob ich lachen oder weinen soll. Im Prinzip könnte ich gerade auch im Altstadttreff in Braunschweig sitzen, da wären auch nicht weniger Schwarze unterwegs. Und der Biergarten ist ähnlich groß und brechend voll.Von überall hört man Deutsch (auch Englisch und Afrikaans) und die Wände sind tapeziert mit Postern und Stickern auf denen deutsche Binsenweißheiten stehen. Alida und ich sind sprachlos.
Am Tisch wird dann Pizza und Bier bestellt und über die Luxuswagen, Villas und Hubschrauber der Väter getratscht. In eine krasse Reichenschicht sind wir da geraten. Zwar ist nicht jeder Weiße hier super reich, aber recht wohlhabend sind alle, die wir hier treffen. Jetzt wissen wir also wie es um Namibias eigenständige Wirtschaft steht. Doch wer die Weißen hier gleich als Rassisten, Kolonialisten oder Appartheits Freunde abstempelt macht es sich etwas leicht. Den jeder einzelne ist gebürtiger vollblut Namibier und stolzer Namibier zu sein als so mancher Schwarzer. Und weil wir fair bleiben wollen: Wer von uns weiß denn noch so genau woher seine Vorfahren 4.-7. Generation stammten, bzw ist mit diesem Ort irgendwie verbunden? Trotzdem fühlt sich das alles hier nicht so richtig gut an.
Das Zweite was wirklich auffällt, ist wie klein Windhoek ist, bzw. wie klein es sich die Weißen hier machen! Denn eines steht fest, ob rassistisch motiviert oder nicht, die Kulturen mischen sich hier nicht. Die Weißen bleiben unter sich (Die Stämme der Schwarzen allerdings in der Regel auch).Das führt dazu, das jeder jeden kennt, jeder mit jedem schonmal was hatte und das jeder den ganzen Tag Klatsch und Tratsch über sämtliche weiße Einwohner Windhoeks erzählen kann. Windhoek ist ein richtiges Dorf, müssen Alida und ich feststellen.
Später gehen wir noch in einen Nachtclub der sich auch weder musikalisch noch von den Besuchern her gravierend von einem braunschweiger Club unterscheidet.
In den nächsten Tagen treffen wir uns noch öfter mit Leuten aus der "Hockyclique", denn man fühlt sich doch irgendwie am wohlsten im eigenden Kulturraum. Und ich bin fest davon überzeugt, dass die Hautfarbe hier keine Rolle spielt. Erziehung, Tradition und das Umfeld in dem man aufwächst allerdings sehr wohl. Das habe ich schließlich am eigenen Leib erlebt. So sehr ich meine namibische Gastfamilie auch mag, auf Dauer würde ich im Buschland, zwischen den Ovambos verrückt werden. Zu verschieden sind die Kulturen und eines habe ich hier gelernt: Ich bin deutsch und werde es immer bleiben. So richtig übelnehmen, kann ich es also keinem mehr, das er lieber etwas mit Menschen seiner Kultur, seines Stammes unternimmt als mit anderen.
Rassistische Züge gibt es dann aber leider doch. Gerade bei den Afrikaans sind Mischbeziehung quasi verboten, zu mindest aber macht man sich so zum Gespött der Leute.
Was für ein Tag! Ein Tag der mir wie kein anderer gezeigt hat, wie gespalten dieses Land ist. Um das ein wenig mit Fakten zu untermauern, hier noch eine kleine Übersicht des ethnologischen Hintergrunds Namibias. Wen das aber wirklich interessiert, hier ein Link zum nachlesen: http://www.afrikareisen.info/namibia/namibia-menschen.htm
Wie in vielen Fällen sind auch die Grenzen Namibias während der Kolonialisierung mit Lineal auf die Landkarte gezeichnet worden, ohne Rücksicht auf geographische Begebenheiten oder die Stammestheritorien. Das führte dazu, dass bis zum heutigen Tage Ovambos sich in erster Linie als Ovambos sehen und nicht als Namibier. Zum Beispiel die Okwanyama (Stamm meiner Gastfamilie) leben zu gut 50% auch im benachbarten Angola.
Seid der Unabhängigkeit von Südafrika 1990, ist Englisch die einzige Amtssprache, eine Sprache die für über 95% der Bevölkerung Fremdsprache ist und mühsam erlehrnt werden muss. Der vernünftige Versuch, ein so kulturell zersplittertes Land wenigstens in Sprache und somit der möglichen Verständigung untereinander zu vereinen. In den ländlichen Gegenden setzt sich Englisch allerdings erst allmählich durch, zu dominant sind die Stammessprachen. Und wie schon erwähnt mischen sich die Stämme kaum, es gibt relativ klar begrenzte Territorien, in jedem einzelnen findet man dann einen bestimmten Stamm.
Was auf den ersten Blick bedauernswert scheint, hat immerhin dazu geführt, das viele Stämme ihre Traditionen bis zum heutigen Tag bewahren konnten. Außerdem herrscht schon lange Frieden hier, nicht selbstverständlich und auch nicht immer so gewesen bei so vielen Völkern. Es scheint aber, als funktioniere die Taktik des sich aus dem Weg gehens. Genug Raum bietet Namibia jedenfalls.
Doch wie passen die Weißen da hinein? Eigentlich ist es ganz einleuchtend, sie bilden im Prinzip zwei weitere Stämme: Die Deutschen und die Afrikaner (Buren). Und sie sind nach wie vor sehr angesehen im Land, sie bezahlen ihre Arbeiter fair und zuverlässig und brachten/bringen Wissen und Technologie der Industrieländer. Natürlich haben sie teilweise grausame Verbrechen an der schwarzen Bevölkerung in der Kolonialzeit begangen, aber es muss auch festgehalten werden, das sie den Krieg nicht nach Namibia brachten. Schon vor ihnen gab es eigentlich dauernd Krieg zwischen den Stämmen. Interessant ist vielleicht auch, dass die ersten Einwanderer immerhin schon Ende des 17. Jahrhunderts kamen, ungefähr zeitgleich mit der Einwanderung der Bantusprachigen Stämme in den Norden Namibias.
Zu diesen zählen die Ovambos, mit ihren 12 Unterstämmen von denen 8 in Namibia leben. Sie sprechen alle Dialekte des Oschiwambos und machen zusammen mehr als 50% der Bevölkerung Namibias aus. Die Ovambo sind ursprünglichen Ackerbauern, halten sich mittlerweile aber auch viel Vieh.
Am Fluss Kavango, haben sich die Fischer und Maisbauern der Okavango niedergelassen, ein ebenfalls bantusprachiger Stamm.
Zwei weitere eng verwandte Bantustämme sind die Hereo und die Himba. In der bekanntesten und grausamsten Schlacht der Deutschen gegen die Herero am 11. August 1904 am Waterbergplateau wurden die Herero beinahe ausgelöscht, noch heute vordern sie dafür Reperationszahlungen von der deutschen Regierung! Ursprünglich waren auch die Herero Viehhalter.
Die Himba haben sich vor langer Zeit von den Herero abgespalten und im wesentlichen die Lebensweise der Steinzeit bewahrt. Es ist schon ein irrer Anblick, wenn eine Gruppe Himba (auch Frauen) quasi nackt nur mit Lendenschurz bekleidet und von oben bis unten mit rotem Lehm, den sie sich auch in die Haare reiben, beschmiert durch die Stadt laufen. Noch heute sind sie Nomaden, ziehen als Sammler und Jäger durch Teile Namibias.
Der erste Stamm auf namibianischem Boden waren jedoch die San, auch unter dem nicht unbedingt politisch korrektem Namen Buschmänner bekannt. Die San sind optisch wahrscheinlich am einfachsten auszumachen. Sie sind klein, selten größer als 1,60 m und deutlich heller, als die Bantustämme. Es wundert also kaum, dass sie asiatischer Abstammung sind. Beeindruckend ist auch die Sprache des schon vor 25000 Jahren eingewanderten Stammes, die zahlreiche komplizierte Klicklaute enthält. Auch nach endlosem Vorsagen wollte meine Zunge nicht ansatzweise das Begrüßungswort herausbringen.
Zwei Verwandte der San leben auch in Namibia, die Nama und Dahama. Beide zeichnen sich ebenfalls durch die Klicklaute in der Sprache aus. Die Nama sind neben den Herero Hauptlasttragende des Vernichtungskommandos der deutschen Truppen am Waterberg gewesen. Sie kamen vor ca. 2500 Jahren als nomadisches Hirtenvolk nach Namibia.
Über die Herkunft der Damara ist wenig bekannt, nur aufgrund der Sprache schließt man auch eine Verwandtschaft zu den San und Nama, denn ihre eigene Kultur ist in jahrelanger Versklavung verloren gegangen. Dabei handelte es sich allerdings hauptsächlich um eine Versklavung durch Herero und Owambo und garnicht unbedingt durch die Weißen.
Wer jetzt verwirrt von all diesen Stämmen, kann sich vielleicht ausmahlen, was für Schwierigkeiten sich innerpolitisch hier verbergen. Irgendjemand fühlt sich immer vernachlässigt und neben politischen Parteien gibt es ganz beiläufig auch noch Stämme die im Parlament schalten und walten. Nicht zufällig flossen die Fördergelder für ländliche Regionen in den letzten Jahren hauptsächlich ins Ovamboland.
Eine weitere Herausforderung bieten die Sprachen, nicht jeder kann Englisch und viele nur in Brocken, weswegen es gar nicht so einfach ist sicherzustellen, dass jeder wichtige Informationen erhält und versteht.
Umso bewundernswerter finde ich, dass Namibias Demokratie doch so stabil und funktionsfähig ist und dass schon so lange Frieden herrscht!