Ich habe es geschafft, nach 6 Monaten ohne Familie stehen zwei Wochen gemeinsamer Urlaub an!
Ich freue mich riesig, aber in mir auch eine nagende Unsicherheit... Wie wird es sein? So wie immer? besser? harmonischer? distanzierter?
Ein wenige fürchte ich mich also auch vor dem Wiedersehen, dem ersten Zusammentreffen der komischen und so gegensätzlichen Welten, die beide unwiderruflich Teil von mir sind.
6 Monate... es kommt mir vor wie ein ganzes Leben, so viele schöne aber auch schwere Stunden. Wie habe ich mich verändert?
Ich habe Angst in diesen Spiegel meines alten Lebens zu schauen, werde ich mich noch erkennen? Wird meine Familie das?
Ich habe das Gefühl jetzt die Quittung zu bekommen, für all das was ich in den letzten 6 Monaten erreicht oder vielleicht auch verbockt habe.
Trotzdem überwiegt die Freude, heute könnte ich die ganze Welt umarmen! Und das heißt schon was bei mir...
Auf dem Weg zum Hotel in dem wir uns treffen wollen, grüße ich sogar die Bauarbeiter auf der anderen Straßenseite übermütig, die dem jungen weißen Mädchen daraufhin natürlich lauthals hinterherpfeifen und grölen, als ich dann auch noch einem Bettler fröhlich zuwinke und ein paar Dollar gebe, kommt er doch glatt hinter mir her, schon so früh am Morgen nach Alkohol stinkend. Ich mache mich schleunigst davon, wirklich jeden muss ich dann doch nicht umarmen. (Mir ist es im Übrigen schon zweimal passiert, dass mich einer der zahlreichen Obdachlosen einfach auf offener Straße von hinten überrascht und umarmt hat...)
Und dann ist es soweit, ich betrete das Hotel und keine Minute später erscheint meine Mama. Unglaublich, wie ein flüchtiger Traum scheinen die letzten sechs Monate, die Tränen der Abreise in den Armen meiner Mutter und das Loch in meinem Herzen ist verschwunden und vertraute Geborgenheit tritt an seine Stelle.
Auch die Sorgen scheinen umsonst, es ist alles als wäre ich nie weg gegangen. Beinahe schon erschreckend ist es, wie schnell ich wieder in die alten Muster verfalle. Schon am zweiten Tag haben meine Mutter und ich uns wegen dem Weg in den Haaren, übertönen beide mit hysterischen Geschrei und in der Überzeugung Recht zuhaben die zaghaften Schlichtungsversuche meiner Schwester. Nur meinen Vater können wir wie üblich nicht aus der Ruhe bringen. (Im Nachhinein stellt sich wie so oft heraus, dass ich vielleicht etwas öfter auf meine Mutter hören sollte...)
Aber ich genieße es in vollen Zügen, dass vertraute Familiendrama.
In den nächsten 14 Tagen werden wir mit dem Auto durch Namibia Touren und ich habe endlich die Chance meiner Familie, meine zweite Heimat zu zeigen.
Die erste Nacht verbringen wir in Windhoek, schlendern durch die von Kolonialbauten gezierte Innenstadt und quatschen uns bei afrikanischer Küche aus.
Am nächsten Tag geht es weiter zum Waterbergplateau. Ein Tafelberg in einer der feuchtesten und grünsten Ecken Namibias, denn hier gibt es tatsächlich Quellen, die das ganze Jahr über laufen.
Weswegen ich aber eigentlich hier her wollte, hat einen ganz anderen Grund, denn hier spielte sich im August 1904 ein weiteres dunkles Kapitel der deutschen Geschichte ab. Der Völkermord an den Hereros, dem damals mächtigsten Stamm Namibias. Rund 80 % aller Herero verloren durch Lothar von Trothar ihr Leben und trotzdem, und das schockiert mich, habe ich während meiner gesamten Schulzeit kein einziges Wort darüber erfahren.
Ich freue mich riesig, aber in mir auch eine nagende Unsicherheit... Wie wird es sein? So wie immer? besser? harmonischer? distanzierter?
Ein wenige fürchte ich mich also auch vor dem Wiedersehen, dem ersten Zusammentreffen der komischen und so gegensätzlichen Welten, die beide unwiderruflich Teil von mir sind.
6 Monate... es kommt mir vor wie ein ganzes Leben, so viele schöne aber auch schwere Stunden. Wie habe ich mich verändert?
Ich habe Angst in diesen Spiegel meines alten Lebens zu schauen, werde ich mich noch erkennen? Wird meine Familie das?
Ich habe das Gefühl jetzt die Quittung zu bekommen, für all das was ich in den letzten 6 Monaten erreicht oder vielleicht auch verbockt habe.
Trotzdem überwiegt die Freude, heute könnte ich die ganze Welt umarmen! Und das heißt schon was bei mir...
Auf dem Weg zum Hotel in dem wir uns treffen wollen, grüße ich sogar die Bauarbeiter auf der anderen Straßenseite übermütig, die dem jungen weißen Mädchen daraufhin natürlich lauthals hinterherpfeifen und grölen, als ich dann auch noch einem Bettler fröhlich zuwinke und ein paar Dollar gebe, kommt er doch glatt hinter mir her, schon so früh am Morgen nach Alkohol stinkend. Ich mache mich schleunigst davon, wirklich jeden muss ich dann doch nicht umarmen. (Mir ist es im Übrigen schon zweimal passiert, dass mich einer der zahlreichen Obdachlosen einfach auf offener Straße von hinten überrascht und umarmt hat...)
Und dann ist es soweit, ich betrete das Hotel und keine Minute später erscheint meine Mama. Unglaublich, wie ein flüchtiger Traum scheinen die letzten sechs Monate, die Tränen der Abreise in den Armen meiner Mutter und das Loch in meinem Herzen ist verschwunden und vertraute Geborgenheit tritt an seine Stelle.
Auch die Sorgen scheinen umsonst, es ist alles als wäre ich nie weg gegangen. Beinahe schon erschreckend ist es, wie schnell ich wieder in die alten Muster verfalle. Schon am zweiten Tag haben meine Mutter und ich uns wegen dem Weg in den Haaren, übertönen beide mit hysterischen Geschrei und in der Überzeugung Recht zuhaben die zaghaften Schlichtungsversuche meiner Schwester. Nur meinen Vater können wir wie üblich nicht aus der Ruhe bringen. (Im Nachhinein stellt sich wie so oft heraus, dass ich vielleicht etwas öfter auf meine Mutter hören sollte...)
Aber ich genieße es in vollen Zügen, dass vertraute Familiendrama.
In den nächsten 14 Tagen werden wir mit dem Auto durch Namibia Touren und ich habe endlich die Chance meiner Familie, meine zweite Heimat zu zeigen.
Die erste Nacht verbringen wir in Windhoek, schlendern durch die von Kolonialbauten gezierte Innenstadt und quatschen uns bei afrikanischer Küche aus.
Am nächsten Tag geht es weiter zum Waterbergplateau. Ein Tafelberg in einer der feuchtesten und grünsten Ecken Namibias, denn hier gibt es tatsächlich Quellen, die das ganze Jahr über laufen.
Weswegen ich aber eigentlich hier her wollte, hat einen ganz anderen Grund, denn hier spielte sich im August 1904 ein weiteres dunkles Kapitel der deutschen Geschichte ab. Der Völkermord an den Hereros, dem damals mächtigsten Stamm Namibias. Rund 80 % aller Herero verloren durch Lothar von Trothar ihr Leben und trotzdem, und das schockiert mich, habe ich während meiner gesamten Schulzeit kein einziges Wort darüber erfahren.
Vom Waterberg geht es in den Etoshanationalpark und von dort zu meiner Gastfamilie.
Und plötzlich sind sie wieder da, all die Sorgen. Und ich bekomme Angst, wirkliche Angst.
Wir treffen meinen Gastvater vor der Kirche und sind innerhalb von Minuten umgeben von Gemeindemitgliedern. Alle erwarten mit meinen Eltern bekannt gemacht zu werden. Und ich? Keine Ahnung. Ich stehe mitten drinnen und habe das Gefühl mich übergeben zu müssen. Meine beiden Welten und Ichs kollidieren gerade mit voller Gewalt vor meinen Augen und ich bin hilflos.
Alles ist hier im Ovamboland so anders: die Benimmregeln, die Sitten, die Stellungen der einzelnen Familienmitglieder, die Lebensumstände.
Ich bin hier ein völlig anderer Mensch.
Was wird meine Familie von der Rolle halten die ich hier im tiefsten Buschland einnehme?
Was wird meine Gastfamilie zum Umgang zwischen mir und meinen Eltern denken? Das ich respektlos bin? Aber in Deutschland knickst man nun mal nicht, bevor die eigene Mutter zu einem spricht.
Langsam erwache ich aus meiner Starre und beginne mit den Bekanntmachungen. Die Luft ist zum zerreißen. Die Unsicherheit aller Beteiligten ist greifbar und ich fühle mich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. All die unsicheren Blicke, die zu hoffen ja zu erwarten scheinen ich könne zwischen den Kulturen vermitteln.
Doch mir zeigt sich nur mein eigenes Dilemma brutal. Das Gefühl, dass ich hier so wie ich bin, keinen wirklichen Platz habe. Viel zu oft bin ich still, wenn kritische Widerworte gefragt sind. Viel zu oft schaue ich zu, wenn Taten gebraucht sind. Viel zu oft gehorchen ich, um mich anzupassen. Denn ich will ja gerade keine spezial Behandlung, ich will zeigen das wir alle gleich sind, Schwarz und Weiß. Doch unter der ganzen Anpassung bin ich wer völlig anderes. Das ist ungemein spannend, denn man lernt so viel über sich selbst, über die eigenen Möglichkeiten. Andererseits ist man aber auch enorm verunsichert von der eigenen Fremdheit. Deshalb ist von den vielen hohen Zielen mit denen ich hierher kam, auch nur genau eines geblieben. Eines, das von außen wahrscheinlich recht lächerlich klingt. Jeden Tag taste ich mich ein winziges Stück weiter voran, versuche mich ein wenig mehr zu überwinden ich selbst zu sein und so Raum zu schaffen für kritische Auseinandersetzungen und Handlungen (dabei geht es mir gerade um den Umgang mit Kindern hier, aber auch um Arbeitsmoral, das Verhältnis zu Geld und den Vorurteilen gegenüber Weißen).
Doch hier vor der Kirche wird mir bewusst, wie wenig ich bis jetzt geschafft habe und wie weit der Weg noch ist.
Und dann ist da noch die Aufregung meiner beiden Familien.
Seid Wochen schon bereit mein Gastvater alles für den "hohen " Besuch vor. Alles wird mit einer für die afrikanische Mentalität sagenhaften Gewissenhaftigkeit geplant, von neuem Essbesteck bis zur neuen Verkleidung der Decke im Gästezimmer. Ich protestiere natürlich, aber Gastfreundschaft ist hier oberstes Gebot und dann muss ja auch noch mit dem westlichen Standard mitgehalten werden. Alles andere wäre ja eine Zumutung für die Gäste aus dem ach so fortschrittlichen und reichen Deutschland.
Auf der anderen Seite meine Eltern in Deutschland, die vor Abreise ganz Braunschweig leer zukaufen drohten um mit ganz vielen Gastgeschenken ihre Dankbarkeit auszudrücken zu können.
In namibischer Tradition ist der Gast quasi König, er darf sich alles erlauben, ihm darf an nichts fehlen. Die Deutschen halten es mit der Gastfreundschaft wohl etwas anders. Gäste sind zwar willkommen, sollten sich aber nicht so viel herausnehmen, dem Gastgeber möglichst wenig Mühe machen.
Aber das gemeinsame Abendessen topt dann doch alles was ich mir ausgemalt hatte.
Wie üblich wird unter freiem Himmel gegessen. Auf dem Hof vor dem Wohnhaus bietet sich also folgendes Schauspiel:
Auf dem sandigen Boden sind Tische und Stühle aufgebaut. Die Nacht ist sternenklar und in einer Ecke lodert ein Feuer. Soweit alles sehr romantisch und völlig normal. Doch hinter dem Feuer hängt eine Ziege vom Zaun. Ja eine Ziege. Gehäutet und bereit im Feuer gebraten zu werden. Vor ungefähr einer Woche hatten wir hier schonmal hohen Besuch. Der Präsident der größten Oppositionspartei in Namibia war mit seiner Frau zu Besuch. Auch zu diesem Anlass wurde geschlachtet, ein Hahn. Und jetzt eine Ziege??! Ich versuche das irgendwie in Relation zu setzten, aber es gelingt mir nicht. Ich bin ein weiteres Mal sprachlos. Immerhin sind meine Eltern nicht der einzige Besuch. Auch zwei Kinder meines Gastvaters sind da.
Noch bizarrer wird es jedoch wenn ich mir klar mache welcher Tag heute ist.
Gründonnerstag.
Da verbringt man jeden Sonntag drei bis vier Stunden in der Kirche um dann am Gründonnerstag ein Festmahl zu sich zu nehmen.
Ich wende mich von der Ziege ab und Blicke auf einen Esstisch, der stark an den Gabentisch an Heiligabend erinnert. Ein Berg von Geschenken, eingewickelt in den schönsten Farben wird da vom Feuer beschienen.
Ich sage es nochmal: Gründonnerstag.
Und ich bin nun wirklich kein gläubiger Mensch im kirchlichen Sinne, aber meine beiden Familien haben sich wirklich selbst übertroffen...
Und plötzlich sind sie wieder da, all die Sorgen. Und ich bekomme Angst, wirkliche Angst.
Wir treffen meinen Gastvater vor der Kirche und sind innerhalb von Minuten umgeben von Gemeindemitgliedern. Alle erwarten mit meinen Eltern bekannt gemacht zu werden. Und ich? Keine Ahnung. Ich stehe mitten drinnen und habe das Gefühl mich übergeben zu müssen. Meine beiden Welten und Ichs kollidieren gerade mit voller Gewalt vor meinen Augen und ich bin hilflos.
Alles ist hier im Ovamboland so anders: die Benimmregeln, die Sitten, die Stellungen der einzelnen Familienmitglieder, die Lebensumstände.
Ich bin hier ein völlig anderer Mensch.
Was wird meine Familie von der Rolle halten die ich hier im tiefsten Buschland einnehme?
Was wird meine Gastfamilie zum Umgang zwischen mir und meinen Eltern denken? Das ich respektlos bin? Aber in Deutschland knickst man nun mal nicht, bevor die eigene Mutter zu einem spricht.
Langsam erwache ich aus meiner Starre und beginne mit den Bekanntmachungen. Die Luft ist zum zerreißen. Die Unsicherheit aller Beteiligten ist greifbar und ich fühle mich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. All die unsicheren Blicke, die zu hoffen ja zu erwarten scheinen ich könne zwischen den Kulturen vermitteln.
Doch mir zeigt sich nur mein eigenes Dilemma brutal. Das Gefühl, dass ich hier so wie ich bin, keinen wirklichen Platz habe. Viel zu oft bin ich still, wenn kritische Widerworte gefragt sind. Viel zu oft schaue ich zu, wenn Taten gebraucht sind. Viel zu oft gehorchen ich, um mich anzupassen. Denn ich will ja gerade keine spezial Behandlung, ich will zeigen das wir alle gleich sind, Schwarz und Weiß. Doch unter der ganzen Anpassung bin ich wer völlig anderes. Das ist ungemein spannend, denn man lernt so viel über sich selbst, über die eigenen Möglichkeiten. Andererseits ist man aber auch enorm verunsichert von der eigenen Fremdheit. Deshalb ist von den vielen hohen Zielen mit denen ich hierher kam, auch nur genau eines geblieben. Eines, das von außen wahrscheinlich recht lächerlich klingt. Jeden Tag taste ich mich ein winziges Stück weiter voran, versuche mich ein wenig mehr zu überwinden ich selbst zu sein und so Raum zu schaffen für kritische Auseinandersetzungen und Handlungen (dabei geht es mir gerade um den Umgang mit Kindern hier, aber auch um Arbeitsmoral, das Verhältnis zu Geld und den Vorurteilen gegenüber Weißen).
Doch hier vor der Kirche wird mir bewusst, wie wenig ich bis jetzt geschafft habe und wie weit der Weg noch ist.
Und dann ist da noch die Aufregung meiner beiden Familien.
Seid Wochen schon bereit mein Gastvater alles für den "hohen " Besuch vor. Alles wird mit einer für die afrikanische Mentalität sagenhaften Gewissenhaftigkeit geplant, von neuem Essbesteck bis zur neuen Verkleidung der Decke im Gästezimmer. Ich protestiere natürlich, aber Gastfreundschaft ist hier oberstes Gebot und dann muss ja auch noch mit dem westlichen Standard mitgehalten werden. Alles andere wäre ja eine Zumutung für die Gäste aus dem ach so fortschrittlichen und reichen Deutschland.
Auf der anderen Seite meine Eltern in Deutschland, die vor Abreise ganz Braunschweig leer zukaufen drohten um mit ganz vielen Gastgeschenken ihre Dankbarkeit auszudrücken zu können.
In namibischer Tradition ist der Gast quasi König, er darf sich alles erlauben, ihm darf an nichts fehlen. Die Deutschen halten es mit der Gastfreundschaft wohl etwas anders. Gäste sind zwar willkommen, sollten sich aber nicht so viel herausnehmen, dem Gastgeber möglichst wenig Mühe machen.
Aber das gemeinsame Abendessen topt dann doch alles was ich mir ausgemalt hatte.
Wie üblich wird unter freiem Himmel gegessen. Auf dem Hof vor dem Wohnhaus bietet sich also folgendes Schauspiel:
Auf dem sandigen Boden sind Tische und Stühle aufgebaut. Die Nacht ist sternenklar und in einer Ecke lodert ein Feuer. Soweit alles sehr romantisch und völlig normal. Doch hinter dem Feuer hängt eine Ziege vom Zaun. Ja eine Ziege. Gehäutet und bereit im Feuer gebraten zu werden. Vor ungefähr einer Woche hatten wir hier schonmal hohen Besuch. Der Präsident der größten Oppositionspartei in Namibia war mit seiner Frau zu Besuch. Auch zu diesem Anlass wurde geschlachtet, ein Hahn. Und jetzt eine Ziege??! Ich versuche das irgendwie in Relation zu setzten, aber es gelingt mir nicht. Ich bin ein weiteres Mal sprachlos. Immerhin sind meine Eltern nicht der einzige Besuch. Auch zwei Kinder meines Gastvaters sind da.
Noch bizarrer wird es jedoch wenn ich mir klar mache welcher Tag heute ist.
Gründonnerstag.
Da verbringt man jeden Sonntag drei bis vier Stunden in der Kirche um dann am Gründonnerstag ein Festmahl zu sich zu nehmen.
Ich wende mich von der Ziege ab und Blicke auf einen Esstisch, der stark an den Gabentisch an Heiligabend erinnert. Ein Berg von Geschenken, eingewickelt in den schönsten Farben wird da vom Feuer beschienen.
Ich sage es nochmal: Gründonnerstag.
Und ich bin nun wirklich kein gläubiger Mensch im kirchlichen Sinne, aber meine beiden Familien haben sich wirklich selbst übertroffen...
Ich kann nicht mehr, deswegen schnappe ich mir meine Schwester und zusammen verschwinden wir in meinem Zimmer. Ich bezweifle das sie auch nur nachvollziehen kann, warum ich hier gerade vor ihr völlig in Tränen ausbrechen, aber schluchzend versuche ich ihr verständlich zu machen was gerade in mir vor geht.
Ich habe wirklich die aller tollste Schwester.
Sie nimmt mich einfach nur in den Arm und sagt: "Wir sind alle super stolz auf dich und wir wissen doch das du es hier manchmal schwer hast."
Mehr sagt sie nicht, es kommen keine Ratschläge, keine Fragen, nur eine Umarmung die sagt, es ist alles in Ordnung.
Nachdem wir ungefähr eine halbe Stunde so Arm in Arm im Bett lagen und ich während der gesamten Zeit heule, ruft uns meine Gastschwester zum Essen. Augenblicklich verstumme ich, wische mir die Tränen aus dem Gesicht und stehe auf.
"Du kannst den Schalter wirklich einfach so umlegen", sagt meine Schwester nachdenklich beim rausgehen.
Das Festmahl wird dann doch noch echt gut und nach und nach merken beide Seiten das ihnen gegenüber auch nur Menschen sitzen und auch ich kann mich wieder entspannen.
Eigentlich ist es sogar ziemlich witzig wie meine Familie Oshifima (Brei), Ombidi (Spinat) und Ombelela (Fleisch) mit den Händen ist. Wie ich meinen Gastvater gebeten hatte gibt es wirklich, absolut traditionelles Essen.
Mein Vater traut sich wirklich an alles: Aorten, jegliche Innereien und zum Abschluss auch Marula"wein" und Oshikundu (traditionelles "Bier").
Meine Mutter fragt mich nach einiger Zeit etwas verwirrt was da so knistert im Essen.
"Sand", antworte ich schulterzuckend.
"Oh..."
Sogar meiner Schwester bereit der Abend sichtlich Freude, auch wenn sie auf den Vegetarier in ihr heute verzichten muss.
Am Ende des Abends bin ich echt zufrieden mit dem Tag.
Am nächsten Tag sieht es allerdings ganz anders aus. Es geht in den Gottesdienst.
Ich bin mit den Nerven wirklich unten und während des ganzen Gottesdienstes kann ich die Tränen nicht unterdrücken. Es geht einfach nicht.
Gegen Ende des Gottesdienstes dann der schon erwartete Albtraum, wir werden nach vorne gerufen. Wieder einmal wische ich mir die Tränen aus den Augen und folge meinem Vater nach vorne. An dieser Stelle möchte ich festhalten das die Kirche gefühlt so viele Menschen fasst wie der Braunschweiger Dom. Mein Vater tut mir so Leid, denn natürlich ist er als Familienoberhaupt, derjenige der das Mikrofon in die Hand bekommt. Ich sehe wie nervös er ist, seine Hände sind zittrig und nass wie meine. Aber seine Stimme ist ruhig und in langsamen Englisch, damit möglichst viele ihm folgen können, stellt er die Familiemitglieder vor und bedankt sich anschließend dafür, dass ich hier so gut aufgenommen wurde. Zum Abschluss singen wir dann alle sehr wackelig einen Kanon.
Überstanden, denke ich, da kommt mein Gastvater auf meinen Vater zu und bittet ihn jetzt doch bitte groß vor allen zu verkünden, dass er die Restauration der Kirche mit einer Spende unterstützen wolle (im Dezember hatte es im Altarraum ein Feuer gegeben und mein Vater hatte finanzielle Unterstützung angeboten).
Erwartungsvoll, als sei die Verkündung der Wohltat das beste daran, gucken Pastor und mein Gastvater meinen Vater an. Nur ich gucke absolut schockiert. "Bitte nicht", denke ich. Die meisten Leute hier denken doch so schon, dass Weiße quasi reich geboren werden. Beinahe täglich werde ich eh schon auf der Straße nach Geld gefragt und der Neid auf meine Lebensweise ist die größte Hürde, die mein Sozialleben hier behindert.
All das würde sich doch potenzieren, wenn mein Vater jetzt hier vor dem ganzen Dorf die großzügige Spende verkündet. Davon bin in dem Moment jedenfalls überzeugt.
Aber auf meinen Vater kann man sich verlassen, denn in dem er auf Jesus und die von ihm gepredigte Bescheidenheit verweist, lehnt er die große Verkündung ab und lässt die beiden Geistlichen ohne Möglichkeit der Widerrede.
Nach dem Gottesdienst bekommt er von meinem Pastor doch glatt die Quittung dafür, dieser beklagt jetzt nämlich ironischerweise, unser Auftritt habe zulange gedauert und wir hätten uns doch ein wenig zu sehr in den Vordergrund gespielt.
Das in Afrika aus dem Munde eines Pastors, der nicht selten 90 statt 30 Minuten Predigten hält. Naja.
Mein Vater ist für mich jedenfalls der Held des Tages.
Am Nachmittag machen wir noch einen Spaziergang zu einem meiner Kindergärten und am Abend sind wir dann dran mit kochen.
Es hatte ein gutes Stück Überredungskunst im Vorraus gekostet, aber ich konnte meinen Gastvater überzeugen, dass es doch eine einmalige Chance sei sich deutsch und gut bekochen zu lassen. Und so dürfen die heiligen Gäste tatsächlich die Strapazen des Kochens auf sich nehmen.
Die gefüllten Paprika kommen dann auch echt gut an und ein weiterer harmonischer Abend geht zu Ende.
Ich habe wirklich die aller tollste Schwester.
Sie nimmt mich einfach nur in den Arm und sagt: "Wir sind alle super stolz auf dich und wir wissen doch das du es hier manchmal schwer hast."
Mehr sagt sie nicht, es kommen keine Ratschläge, keine Fragen, nur eine Umarmung die sagt, es ist alles in Ordnung.
Nachdem wir ungefähr eine halbe Stunde so Arm in Arm im Bett lagen und ich während der gesamten Zeit heule, ruft uns meine Gastschwester zum Essen. Augenblicklich verstumme ich, wische mir die Tränen aus dem Gesicht und stehe auf.
"Du kannst den Schalter wirklich einfach so umlegen", sagt meine Schwester nachdenklich beim rausgehen.
Das Festmahl wird dann doch noch echt gut und nach und nach merken beide Seiten das ihnen gegenüber auch nur Menschen sitzen und auch ich kann mich wieder entspannen.
Eigentlich ist es sogar ziemlich witzig wie meine Familie Oshifima (Brei), Ombidi (Spinat) und Ombelela (Fleisch) mit den Händen ist. Wie ich meinen Gastvater gebeten hatte gibt es wirklich, absolut traditionelles Essen.
Mein Vater traut sich wirklich an alles: Aorten, jegliche Innereien und zum Abschluss auch Marula"wein" und Oshikundu (traditionelles "Bier").
Meine Mutter fragt mich nach einiger Zeit etwas verwirrt was da so knistert im Essen.
"Sand", antworte ich schulterzuckend.
"Oh..."
Sogar meiner Schwester bereit der Abend sichtlich Freude, auch wenn sie auf den Vegetarier in ihr heute verzichten muss.
Am Ende des Abends bin ich echt zufrieden mit dem Tag.
Am nächsten Tag sieht es allerdings ganz anders aus. Es geht in den Gottesdienst.
Ich bin mit den Nerven wirklich unten und während des ganzen Gottesdienstes kann ich die Tränen nicht unterdrücken. Es geht einfach nicht.
Gegen Ende des Gottesdienstes dann der schon erwartete Albtraum, wir werden nach vorne gerufen. Wieder einmal wische ich mir die Tränen aus den Augen und folge meinem Vater nach vorne. An dieser Stelle möchte ich festhalten das die Kirche gefühlt so viele Menschen fasst wie der Braunschweiger Dom. Mein Vater tut mir so Leid, denn natürlich ist er als Familienoberhaupt, derjenige der das Mikrofon in die Hand bekommt. Ich sehe wie nervös er ist, seine Hände sind zittrig und nass wie meine. Aber seine Stimme ist ruhig und in langsamen Englisch, damit möglichst viele ihm folgen können, stellt er die Familiemitglieder vor und bedankt sich anschließend dafür, dass ich hier so gut aufgenommen wurde. Zum Abschluss singen wir dann alle sehr wackelig einen Kanon.
Überstanden, denke ich, da kommt mein Gastvater auf meinen Vater zu und bittet ihn jetzt doch bitte groß vor allen zu verkünden, dass er die Restauration der Kirche mit einer Spende unterstützen wolle (im Dezember hatte es im Altarraum ein Feuer gegeben und mein Vater hatte finanzielle Unterstützung angeboten).
Erwartungsvoll, als sei die Verkündung der Wohltat das beste daran, gucken Pastor und mein Gastvater meinen Vater an. Nur ich gucke absolut schockiert. "Bitte nicht", denke ich. Die meisten Leute hier denken doch so schon, dass Weiße quasi reich geboren werden. Beinahe täglich werde ich eh schon auf der Straße nach Geld gefragt und der Neid auf meine Lebensweise ist die größte Hürde, die mein Sozialleben hier behindert.
All das würde sich doch potenzieren, wenn mein Vater jetzt hier vor dem ganzen Dorf die großzügige Spende verkündet. Davon bin in dem Moment jedenfalls überzeugt.
Aber auf meinen Vater kann man sich verlassen, denn in dem er auf Jesus und die von ihm gepredigte Bescheidenheit verweist, lehnt er die große Verkündung ab und lässt die beiden Geistlichen ohne Möglichkeit der Widerrede.
Nach dem Gottesdienst bekommt er von meinem Pastor doch glatt die Quittung dafür, dieser beklagt jetzt nämlich ironischerweise, unser Auftritt habe zulange gedauert und wir hätten uns doch ein wenig zu sehr in den Vordergrund gespielt.
Das in Afrika aus dem Munde eines Pastors, der nicht selten 90 statt 30 Minuten Predigten hält. Naja.
Mein Vater ist für mich jedenfalls der Held des Tages.
Am Nachmittag machen wir noch einen Spaziergang zu einem meiner Kindergärten und am Abend sind wir dann dran mit kochen.
Es hatte ein gutes Stück Überredungskunst im Vorraus gekostet, aber ich konnte meinen Gastvater überzeugen, dass es doch eine einmalige Chance sei sich deutsch und gut bekochen zu lassen. Und so dürfen die heiligen Gäste tatsächlich die Strapazen des Kochens auf sich nehmen.
Die gefüllten Paprika kommen dann auch echt gut an und ein weiterer harmonischer Abend geht zu Ende.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf Richtung Epupafalls in den Nordwesten Namibias. Leider überschätzen wir die Straßenverhältnisse an der angolischen Grenze maßlos und in drei Stunden schaffen wir gerade mal 60 km. Dafür kommen wir durch die idyllischste Landschaft, die man sich vorstellen kann. Wir haben nämlich das Flachland der Ovambos hinter uns gelassen und fahren durch die Berge entlang des Grenzflusses. Uns begegnet kein anderes Auto, hier am Fluss wachsen Bananen, Mangos und Palmen. Immerwieder treffen wir auf Horden von Parvianen. Die Wiesen sind überzogen von gelben bodendeckenden Blumen und zwischen den Bäumen tauchen immer wieder die Lehmhütten der Himba auf. Wenn die Kinder das Auto nahen hören kommen sie von allen Seiten angerannt und heben bettelnd ihre Hände. Dabei geht es ihnen hier sichtlich gut. Die Körper könnten nicht gesünder aussehen und der Lehm auf ihrer Haut, lässt sie so garnicht nackt wirken. Wir fahren vorbei an zwei Himbafrauen auf Eseln, je vorne und auf dem Rücken ein Kind. Ich habe noch nie etwas so schönes, natürliches gesehen.
Erst im Dunkeln kommen wir endlich in eine "Stadt " und als uns der Nachtwächter mit Gewehr um die Schultern uns die Zimmer zeigt, ist die Stimmung mehr als gedrückt und mir wird klar das wir schon Halbzeit haben. Die Zeit fliegt und danach erwartet mich wieder die ermüdende Einsamkeit des Lebens im Norden.
Let it go,
Let it roll right off your shoulder
Don't you know
The hardest part is over
Let it in,
Let your clarity define you
In the end
We will only just remember how it feels
Die nächsten Tage vergehen auch viel zu schnell, auf dem Weg nach Swakopmund schauen wir uns einen versteinerten Urregenwald an und die White Lady eine alte Felsmalerei der San. Swakopmund ist dann deutsch und kalt wie immer. Ich genieße das, meine Familie findet es gar nicht mal so toll.
Dann geht es weiter nach Sesriem und ins Sossvlei, rotes Sandmeer und hunderte Meter hohe Dünen, die wir dann auch tapfer um 12:00 Uhr Mittags besteigen.
Von dort geht es dann wieder zurück nach Windhoek. Je näher wir der Stadt kommen, desto stiller werde ich. Nur ein Lied bekomme ich nicht aus dem Kopf. Little wonders von Rob Thomas. Wie ein Mantra summe ich es pausenlos vor mich hin. Meine Mutter bemerkt meine gedrückte Stimmung natürlich: "Du bist doch schon so weit gekommen", sagt sie, "die letzten drei Monate sind doch echt nicht mehr lange" Und weil ich immer noch nicht fröhlicher bin fügt sie hinzu: "Denk nur an all die wunderbaren einzigartigen Momente die du schon hier haben durftest, und glaub mir da werden noch so viele hinzukommen. Und auch wenn die meiste Zeit dazwischen hart ist und nicht vergehen will, denk einfach an diese kleinen Momente!"
Und als ich dann Abschied nehmen muss in Windhoek ist es hart, aber als meine Familie dann außer Sichtweite ist, kann ich durchatmen und optimistisch in den letzten Teil meines Jahres starten.
Dann geht es weiter nach Sesriem und ins Sossvlei, rotes Sandmeer und hunderte Meter hohe Dünen, die wir dann auch tapfer um 12:00 Uhr Mittags besteigen.
Von dort geht es dann wieder zurück nach Windhoek. Je näher wir der Stadt kommen, desto stiller werde ich. Nur ein Lied bekomme ich nicht aus dem Kopf. Little wonders von Rob Thomas. Wie ein Mantra summe ich es pausenlos vor mich hin. Meine Mutter bemerkt meine gedrückte Stimmung natürlich: "Du bist doch schon so weit gekommen", sagt sie, "die letzten drei Monate sind doch echt nicht mehr lange" Und weil ich immer noch nicht fröhlicher bin fügt sie hinzu: "Denk nur an all die wunderbaren einzigartigen Momente die du schon hier haben durftest, und glaub mir da werden noch so viele hinzukommen. Und auch wenn die meiste Zeit dazwischen hart ist und nicht vergehen will, denk einfach an diese kleinen Momente!"
Und als ich dann Abschied nehmen muss in Windhoek ist es hart, aber als meine Familie dann außer Sichtweite ist, kann ich durchatmen und optimistisch in den letzten Teil meines Jahres starten.
Our lives are made
In these small hours
These little wonders,
These twists & turns of fate
Time falls away,
But these small hours,
These small hours still remain
-Rob Thomas -
Im Nachhinein ist es verrückt, wie gut das unbewusst gesummte Lied zu meiner Situation passte. Vielleicht eine Erinnerung öfter die eigenen Gefühle zuzulassen und nicht immer zu verdrängen?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß es nicht.